Brief von Ludwig Braun an seinen Freund Ludwig Fahn am 20.04.1925



Der Verfasser des Briefes ist Ludwig Braun, geb. 1894, Sohn eines Uhrmachers, von Beruf Bäckergeselle. Er ist 1921 von Großmehring nach Argentinien ausgewandert. Der Brief wurde in Villa Alba, einem kleinen Ort in der Region La Pampa, geschrieben. Der Ort heißt heute General San Martin und ist etwa 700 km südwestlich von Buenos Aires.

Der Empfänger des Briefes ist der Großmehringer Ludwig Fahn, geb. 1894.
Brief

Personen, von denen im Brief die Rede ist:

Julia Flock:
Ehefrau von Ludwig Braun. Sie war vor der Auswanderung nach Argentinien im Haus der Lehrers Flock in Großmehring und war vermutlich die Nichte des Lehrers. Sie reiste ihrem Verlobten Ludwig Braun nach. Die im Brief erwähnte Wally begleitete sie als beste Freundin zum Hamburger Hafen, von wo aus sie das Schiff nach Buenos Aires nahm. Ludwig sollte sie dort abholen, war aber bei Ankunft von Julia nicht am Hafen in Buenos Aires. Darüber wird in einem Zeitungsartikel erzählt.

Wally Schneider (Mentlwastl):
Beste Freundin von Julia und Freundin oder Verlobte von Ludwig Fahn. Wally und Ludwig Fahn heirateten am 31.07.1928. Es war eine Doppelhochzeit mit ihrer Schwester Franziska und Georg Riedl aus München. Wally und Ludwig Fahn zogen nach ihrer Hochzeit nach München.

Michl Schneider (Mentlwastl):
Michl ist der Bruder von Wally Schneider. Er ist 1924 ebenfalls nach Villa Alba ausgewandert.

Fritz Braun:
Bruder von Ludwig Braun. Er ist ebenfalls nach Argentinien ausgewandert.

Sohn:
Luis (Ludwig) Braun, geboren 30.06.1924

Quelle:
Johann Schneider (Mentlwastl), ein Neffe von Wally und Michl Schneider, hat das Original des Briefes von Ludwig Fahn bekommen und aufbewahrt. Im Juni 2012 haben Anni und Peter Ihrler den Brief digitalisiert. Der Brief ist teils in deutscher und teils in lateinischer Schrift verfasst. Die Rechschreib- und Grammatikfehler wurden bis auf wenige Ausnahmen nicht korrigiert.


Der Brief findet sich hier im Original.

Villa Alba 20.4.1925


Mein lieber Freund Ludwig!


Endlich ist nicht ewig, doch einmal einige Zeilen an Dich, Ludwig alter Freund u. Leidensgenosse bitte Dich vor Allem, mir nicht böse zu sein, meines langen Stillschweigens. Es war immer nicht meine Absicht bis solange keine Nachricht zu geben; u. doch ist es so gekommen. Trotzdem mich jeden Tag meine Gedanken gemant haben Dir zu schreiben, so wurde doch die Sache von heute auf morgen geschoben, mit diesem ist nun die zeit dermaßen schnell verlaufen, daß ich mich heute schäme, Dich solange ohne Nachricht zu lassen. Schuld natürlich ist die unerschwingliche Arbeit, welche ich habe, mein Posten in der Brotfabrik deren Maschinen nur wenig Zeit dulden frühzeitig heim zu kommen, bin ich dann zu Hause wartet die Reparatur der Uhren zu einer nach der anderen Uhr auf mich, um Selbe fertig zu stellen, den die Kunden verlangen ihre Ware stets schnell, das ist das gleiche wie bei Euch drüben. Bin eben heute bereits im großen Umkreis bekannt; u. so wird meine zugängliche Arbeit immer mehr. Befasste auch schon Verkauf meiner Uhren, wo ich mit einer Deutschen u. mit einer französische-schweizer Großhandlung in Verbindung stehe, bis das auch Alles im Gange ist, mein lb. Freund Ludwig, können Menschen sterben, den hier gibt es ohne Geld wenig, oder gar nichts, wenn man unbekannter Ausländer ist. Bis man sich dann eben mit diesen Firmen bekannt gemacht hat, vergeht Zeit, kostet Mühe u. Ausdauer.

Und was müsste ich mir heute alles schon anschaffen an Werkzeug u. Betriebsmaterial; u. bin doch noch auf der Stufe immer noch anzuschaffen, denn ohne Maschinen ist man dem Weltmarkt
lahm. – Doch geh’ ich immer noch fest drauf, den Mut lass ich nicht fallen u. freu mich, wenn ich zu Hause alles voll Arbeit sehe, dann weiß ich kann es nicht gefehlt sein, für mich u. meine Familie. Ich bin ja riesig glücklich mit meiner Familie, denn mein Bubi ist ein Prachtkerl, lege Dir ein Bild bei, wo er 7 Monate war; u. heute von Tag zu Tag kommt ihm der Gedanke Bubenstreiche zu probieren. Ludwig ich sag Dir, drollig und lustig ist mein Söhnchen, morgens aufgewacht fängt der kleine Schelm zu singen u. plaudern an, den Schreihals ist Bubi nicht geworden. Jetzt fängt mein kleiner Hausjäger auch schon zu laufen an, kannst Dir denken, daß nichts mehr sicher ist, wo seine Hände hinreichen, denn wie ein rum und num geht’s den ganzen Tag, wo auch der Kopf seine genügenden Stürze bekommt, wenn das Übergewicht Vorhand bekommt.

Mein lieber alter Freund Ludwig, könnte ich Dich nur auch schon so glücklich wissen, wäre mir um einige Gedanken leichter, denn wir Beide verstanden uns doch immer aufs intimste, wo eben dann was eigentümliches einem durch die Seele zieht, wenn man an seinen besten Freund denken kann u. muß.

Möge Dir nun bald die Stunde schlagen, Deine lb. gute Wally heimführen zu können. – Nun weiter. –

Deine beiden Briefe, von Michl überreicht. – Auf Deine Frage, mein lb. Freund Ludwig, ob Michl seine Lage verbessert hat, ist schwer zu beantworten, denn im Grunde genommen, kann ich nicht sagen, ob es Michl überhaupt hier im Lande gefällt. Michl wird es eben genauso gehen wie uns Allen schon gegangen hat, d. h. der Sprache noch nicht mächtig mit den Leuten wenig sprechen können, kommt man sich vor, wie ein abgenommenes Kalb, das verlangt Zeit u. Ausdauer, dann kommt das Andere von selber, so wie mir Michl sagt, gefällt es ihm, zudem heist es dann auch sich an die Sitten u. Gebräuche des Landes u. Leute gewöhnen, das ist Grundprinzip der ganzen Sache. – Arbeit auf dem Lande wird einem niemals fehlen, d. h. man darf nicht verwöhnt sein u. Arbeit aussuchen, sondern nehmen, was kommt. Anders ist es, wenn man mal bekannt ist, dann bringen Einem ja die Leute die Arbeit selbst. Wohnung u. Lebensweise hängt Alles von der Gegend u. welche Arbeit man hat ab. Und beim Lohn ist es das gleiche. Die bestbezahlte Gegend hier, ist für jeden Arbeiter die Pampa Central, wo wir sind.

Ich gebe Dir ein Beispiel von mir, habe verdient bei meiner ersten Arbeit hier (Winter) 60 Pesos ohne Kost. Halbes Jahr später 60 Pesos mit Kost, dann 80 Pesos mit Kost; ein Jahr; jetzt habe ich 135 Pesos ohne Kost; verdiene seit einem halben Jahr täglich 2 Pesos für Überstunden. Meine Hausarbeit auch erst seit dem Januar 1925 täglich 2 Pesos. Dazu kommt nun, Lebensunterhalt, für genügend reiche Küche 2,50 Pesos pro Tag. Mit dem kann man sehr gut leben, habe auch schon mit 1,50 täglich dem Unterhalt genügt, kommt Alles auf die Arbeit an. Dann Wohnung das für uns in Frage kommt 1 Zimmer 1 Küche einfach 15 Pesos pro Monat. Ein Beispiel 135 Pesos Monatslohn, jährlich 1610 Pesos, kann nach Anschaffung sämtlicher Bedürfnisse 600 Pesos beiseite legen. Sind aber welche, die verdienen nur 1200 auch 900 Pesos, andere 1800. 2000 Pesos als Arbeiter. Wie gesagt, wer will, kann vorwärts kommen. Du schreibst, wie wäre die Sache für Dich, mein lb. Freund Ludwig, entnehme in erster Linie oben ausgeführtes, denn ich kann Dir nicht zu raten u. nicht abraten, mir gefällt es heute gut, bin zufrieden, daß ich hier bin, denn ich bin schon so eingewohnt, daß ich Alles kenne u. bereue nicht, daß ich nach hier gegangen bin, ich esse, trinke bis ich satt bin. Rindsuppe lieb ich sehr, ein kg Fleisch für uns Beide täglich, man hier schon verschlingen, oder zu einer Mahlzeit einen schönen jungen Hahn ist mir das liebste, Ludwig kannst mir glauben, von dem lasse ich nichts übrig.

Mein lb. Ludwig, du schreibst, Dir kommen auch Gedanken zum fortgehen, hängst jedoch zu stark am Deutschtum am Vaterland, Ludwig, das kannst du auch im Ausland in Ehren halten, u. wo ich zu essen habe, ist im Grunde genommen dann meine Heimat. Hier wird das Deutschtum stark gepflegt, bin in der hiesigen Deutschvereinigung Schriftführer; werde (?) Hauptverband einen Jahreskalender senden. – Sitz Buenos Aires. – Ansichten Villa Alba kann ich Dir nicht senden, da keine im Verkauf sind. – Heiratsmöglichkeiten für einen Deutschen sind hier schlecht; den(n) Rasse nicht seine Rasse. Sonst ist es im Verhältnis (mit) dem Vorwärtskommen leichter als bei Euch, nur darf man als armer angekommener Ausländer nicht denken noch glauben, daß man in ein paar Jahren zum Kapital kommt, den die Wirtschaftlichen Geräte nehmen großes Kapital in Anspruch, das .. als Bauer wollen wir sagen, da wir mit dem zu tun haben, Kleinbetrieb ist unmöglich, da das Land nicht geeignet ist dazu. Unter 10 Pferde kann man nicht arbeiten, Pflug, Sähmaschine, Erntemaschine soll man unbedingt haben, dann Wagen u. 2 Räder Gaiwagl (Pferdewagen, Kutsche).

Habe Dir nun allerlei mitgeteilt. Michl ist bei Fritz, sind Beide auf der (Chacra) Einödegehöfte, auf deutsch genannt. Auch muß man auf dem Lande die Gesellschaftsabende vergessen, denn das können im Höchstfalle Herren machen, man muß sich selbst unter sich Vergnügen machen u. suchen. – Da ist es am besten verheiratet, ein anderer denkt das Gegenteil. Einliegend unsere letzte Aufnahme mit einer Ansicht Privat.

Empfange meine herzlichsten Grüsse

nebst Familie Dein alter treuer Freund


Ludwig


Lasst halt deine Feder bei Gelegenheit auch laufen gell, Ludwig!

Grüsse an deine lb. gute Wally u. ihr Elternhaus.

Grüsse an meine lb. Eltern u. Geschw. (?) an Deine Lieben Alle. –

Liebe Walli! Ich habe Dir, seit Michl hier ist, schon 2 Briefe geschrieben, worauf Du aber noch keinen beantwortet hast. Hast du vielleicht die Briefe nicht erhalten, oder was ist dann los.

Wir sind Alle gesund, was ich auch von Dir und deinen Lieben hoffe.

Lasse bald was hören. Sei recht herzlich gegrüßt von der Freundin Julia mit Mann u. Sohn.

Grüße an Deine Eltern u. Geschw.



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Peter Ihrler, 24.06.2012, 07.10.2012